Die Leistungen der Herrschaft Justinians sind unbezweifelbar. Der Machtbereich des Imperiums wurde wieder bis nach Spanien ausgedehnt, das Corpus Iuris schuf die Grundlage der europäischen Rechtsentwicklung, die Hagia Sophia bezeichnete den ersten Höhepunkt der byzantinischen Kunst. Entscheidende Vorbedingung solcher Erfolge waren die Abwehr der Völkerwanderung, die wirtschaftliche Konsolidierung im östlichen Reichsteil und die geringe innere Stabilität der germanischen Nachfolgestaaten.
Justinians Leistungen sind aber auch nicht denkbar ohne seine außergewöhnlich befähigten Mitarbeiter: den bedeutenden Truppenführer Belisar, den erfahrenen Militär und Diplomaten Narses, den rücksichtslosen Prätorianerpräfekten Johannes von Kappadokien, den großen Juristen Tribonianus. Einflussreichster Ratgeber jedoch war die Kaiserin Theodora. Die dubiose Lebensgeschichte der ehemaligen Kurtisane, ihre Intrigen- und Günstlingswirtschaft und ihre fragwürdige monophysitische Religionspolitik hat der Historiker Prokop in seiner »Geheimgeschichte« mit genüsslicher Bösartigkeit ausgemalt. Aber auch er bestritt ihr nicht politischen Scharfblick und jene Standfestigkeit, die dem Kaiser selbst in Krisenmomenten fehlte. Sie rettete die Herrschaft Justinians auf dem Höhepunkt des Nika-Aufstandes: »Flucht ist unmöglich, auch wenn sie uns in Sicherheit brächte. Wer in diese Welt geboren ist, muss sterben; aber ins Exil gehen kann ein Herrscher nicht.«
Das mindert nicht die eigene Leistung Justinians. Er ist das vielleicht bedeutendste Beispiel jener sozialen Mobilität, die im Byzantinischen Reich einen befähigten Mann ohne Herkunft in höchste Stellung tragen konnte. Wie sein Onkel Justin war Justinian ein einfacher makedonischer Bauernsohn, erhielt aber eine vorzügliche Ausbildung in Theologie und profanen Wissenschaften, Staatskunst und Diplomatie. Mit außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten paarte sich eine unerschöpfliche Arbeitskraft, mit klaren Zielvorstellungen eine meisterhafte Detailkenntnis der komplexen Affären des Reiches. Der Drang, auch in Einzelfragen – Planung militärischer Expeditionen, Baupläne afrikanischer Festungen, Programme für Festspiele, Festlegung von Fastengeboten – selbst zu bestimmen, war freilich Besessenheit und Schwäche des Kaisers zugleich.
Seine Arbeit zielte dabei nicht nur auf eine wirksame und unbestechliche Verwaltung, sondern suchte auch die rechtliche und soziale Lage seiner Untertanen zu bessern, was Prokop ihm dann als ständige Neuerungssucht und Zerstörung erprobter Ordnungen ankreidete. Doch mehr noch als asketischer Fleiß, Pflichtbewusstsein und soziales Bemühen kennzeichnete den „Kaiser ohne Schlaf“, der in seinem Palast durch strenge Etikette von der Welt und den Untertanen abgeschlossen war, eine beispiellose Energie herrscherlichen Wollens. Justinian war der größte Autokrat auf dem byzantinischen Thron, der seine politischen Ideen mit leidenschaftlicher Gewalt verfolgte. In der Verbindung bedeutender Fähigkeiten mit einem unbeugsam auf ein großes Ziel gerichteten Willen, aber auch in seiner kalten Distanz zu Mitlebenden und in seiner Unfähigkeit, Begeisterung oder Zuneigung zu wecken, ist er am ehesten Karl V. vergleichbar.
Justinians politisches Credo bestand allerdings nicht nur in einem übersteigerten Begriff unumschränkter kaiserlicher Machtfülle, wie er ihn im Staat völlig, in der Kirche wenigstens zum Teil durchsetzte. Eigentliche Triebkraft seines Handelns war eine konservative politische Idee: die Vision der renovatio imperii – der Wiedererrichtung des die gesamte Mittelmeerwelt umfassenden rechtgläubigen Reiches in den überlieferten Formen von Macht, Glauben und Kultur. Daraus ergaben sich die Einzelziele seiner Politik: Wiedergewinn der alten Grenzen des Imperiums und der Glaubenseinheit in der christlichen Ökumene; Reorganisation von Verwaltung und Rechtsprechung; finanzielle Erholung durch gezielte Wirtschaftspolitik; großartige Baupolitik, die die Wiederherstellung der alten Ordnung sichtbar dokumentiert.
Gerade die gefährlichen Konsequenzen einer solchen Politik machen die weiterwirkende Bannkraft des universalen römischen Staatsgedankens sichtbar. Das politisch-staatsrechtliche Grundprinzip des einen legitimen Reiches war nicht nur für Byzanz und seine Kaiser so selbstverständlich und unbestreitbar wie der Begriff der einen christlichen Kirche. An die Idee der Universalität kaiserlicher Macht knüpften sich jenseits der Grenzen des byzantinischen Staates Loyalität und politische Hoffnungen ehemaliger Provinzialen; selbst die Germanenherrscher erkannten den Kaiser als oberste Quelle aller legitimen Macht an. Freilich unterschied sich ihr Verständnis kaiserlicher Oberherrschaft von dem Justinians in einem entscheidenden Punkt. Als ein grundsätzlich unbestrittener titularer Anspruch sich im politischen Sendungsbewusstsein Justinians zu einem realen Anspruch auf Herrschaft in den westlichen Reichsteilen wandelte, musste es zum Konflikt kommen. Andererseits sah Justinian eine doppelte Verpflichtung zur Wiedereingliederung dieser Provinzen. War das Römische Reich zugleich der Lebensraum der rechtgläubigen Christenheit, so war es Aufgabe des Kaisers, seine lateinischen Untertanen von der Herrschaft arianischer Ketzer zu befreien.
Glauben und Politik verbanden sich kompakt in Justinians Idee einer Erneuerung des Imperium Romanum Christianum: »Aus Gottes Vollmacht regieren wir das Reich, das uns von der himmlischen Majestät übertragen wurde, führen wir Kriege mit Erfolg, sichern den Frieden und halten den Bau des Staates aufrecht. Zugleich erheben wir in der Kontemplation unseren Geist derart zur Hilfe der allmächtigen Gottheit, dass wir unser Vertrauen nicht in unsere Waffen, unsere Soldaten, unsere Offiziere oder unsere eigenen Fähigkeiten setzen, sondern alle unsere Hoffnungen auf die vorausschauende Fürsorge der allerhöchsten Dreieinigkeit allein gründen, von der alle Elemente des Universums ausgingen und ihre Ordnung im gesamten Erdkreis sich ableitet.«
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Es gibt im Moment in diese Mannschaft, oh, einige Spieler vergessen ihnen Profi was sie sind. Ich lese nicht viele Zeitungen, aber ich gehöre vielen Situationen.
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