Gehen die Teppichhändler bald am Bettelstab? Steht das Geschäft mit dem “fliegenden ” Symbol des Orients vor einer ökonomischen Bruchlandung? Hört man den Klagen nicht weniger Händler zu, ist man geneigt, diese Frage zu bejahen. Nicht dazu passen will allerdings die Zahl der randvollen Teppichgeschäfte, die rund um Sultanahmet und am touristischen Arasta Basar die Anzahl der Cafés locker übersteigt (vom Großen Basarganz zu schweigen). Die hier gelagerten Stapel an geknüpften (Hali) und gewebten (Kelim) Teppichen zeugen nicht gerade von Armut – so man sie alle verkaufen kann. “Ich glaube, die Touristen wollen nicht mehr konsumieren “, sinniert Mehmet tiefsinnig, Anteilseigner eines kleineren Teppichladens. Und Murat, in einem großen Laden ein paar Meter weiter, verkündet mir beim Tee mit missmutiger Miene, dass er bald auswandern werde, dieses lausige Geschäft mache doch keinen Spaß mehr. In der letzten Woche habe er einen kleinen Kelim für gerade mal 30 Euro verkauft – das reiche noch nicht mal für die Zigaretten.
Teppichhändler haben zunächst einmal ein sehr unangenehmes Imageproblem: Die Touristen haben von Heimkehrern und Reiseführern gelernt, dass man sehr leicht über’s Ohr gehauen wird. Da erfährt der eine Käufer, dass er sein gerade erworbenes Stück Orient beim Händler um die Ecke 50 Prozent billiger bekommen hätte, der andere glaubt, ein edles halbantikes Stück ergattert zu haben, um zu Hause von einem Kenner darüber auf geklärt zu werden, dass die verblassten Farben – vermeintliche Zeichen des ehrwürdigen Alters – durch eine Chlorwäsche erzielt worden sind und der Teppich brandneu ist.
Einen handgewebten Teppich aus Naturwolle wird man kaum unter 200 bis 250 Euro bekommen, wobei das im Einzelfall natürlich sehr von der Größe und den vier wesentlichen Kriterien – Material (Seide ist kostbarer als Wolle), Knotenzahl (je höher die Knotendichte, desto wertvoller), Design (die “Seele” des Teppichs) und Farben (natürliche Pflanzenfarben oder die viel häufiger gebrauchten Chrom- oder Anilinfarben) – abhängt.
Für einen Laien ist es äußerst schwierig, diese Maßstäbe zu beurteilen, und fast alle Teppichhändler – und das sollte man bei aller auch ungeheuchelten Freundlichkeit nicht vergessen – sind mehr oder weniger Meister der Präsentation und Verkaufspsychologie. Leicht findet man sich überwältigt von dem begehrenswerten Stück und der darauf abgestimmten effektvollen Ausbreitung und Charakterisierung durch den Händler. Deshalb ein paar Tipps:
- Zunächst sollte man für sich die Frage klären, ob man überhaupt einen Teppich ernsthaft kaufen will, wie viel man dafür ausgeben kann und welches gewünschte Modell ungefähr zu den heimischen vier Wänden passt. Die Aura des Teppichs im Teppichladen ist nicht ohne Weiteres au das Wohnzimmer übertragbar.
- Das Allerwichtigste: Zeit, viel Zeit! Einen guten Teppich kauft man für das ganze Leben. Schlendern Sie herum und fragen Sie nach Preisen, lassen Sie sich einen Tee geben und lernen Sie den/die Händler ein bisschen kennen, ohne sich beim ersten Mal auf einen Deal einzulassen. Hat Inan dann seinen fliegenden Teppich irgendwo gesichtet und sich aufrichtig und unsterblich in ihn verliebt, so zeige man es nicht und komme zwei Tage später “zufällig“ wieder vorbei.
- Bei der Begutachtung des Teppichs ist ein Freund oder Bekannter, der davon etwas versteht und dem man vertrauen kann, natürlich eine wesentliche Hilfe. Ist ein solcher nicht zur Hand, kann man nur selbst den Experten spielen: Drehen Sie den Teppich um und starren Sie konzentriert auf das Knotengewirr, so als ob Sie schnell und heimlich zählen. Riechen Sie an ihm, als ob Sie sofort den Chlorgeruch erkennen könnten. Streichen Sie fachmännisch über das Gewebe, und hören Sie den Lobpreisungen des Händlers mit ostentativer Unaufmerksamkeit oder Zerstreutheit zu, weil Sie sichtlich keinen fremden Gutachter brauchen.
- Nun zum Abschluss und zum Handeln, soll heißen Feilschen: Immer wieder wird behauptet, dass man den Preis einfach um die Hälfte zu drücken habe. Als Richtlinie mag das angehen, aber der eine Händler besitzt mehr Chuzpe und setzt den Preis dreimal so hoch an, wie er verkaufen würde, während der andere, der „Ehrlichere“: „nur 50 Prozent“ auf den realen Verkaufspreis aufschlägt. Letzterer kann also gar nicht mehr um die Hälfte zurückgehen, da er dann selbst der Gelackmeierte wäre. Wichtig ist also nicht eine abstrakte Zahl, sondern das Herausfinden der „Schmerzgrenze“. Diese Grenze ist die je nach Geschäftssituation variierende Profitmarge, die der Händler sich als Minimum selbst setzt und die er nicht mehr unterschreiten wird.
Man lasse sich also einen ersten Preis nennen, der für das gewählte Stück ungefähr doppelt bis dreimal so hoch liegen kann, wie das vorher selbst bestimmte Ausgabebudget. Man quittiere diese Zahl mit einem nachsichtigen, bedauernden Lächeln und wechsle gegebenenfalls das Gesprächsthema, um zum Beispiel freundlich über Gott und die Welt und das schöne Istanbul zu plaudern. Versuchen Sie, das Vertrauen und den Respekt ihres Gegenübers dadurch zu gewinnen, dass Sie ihn als ehrenwerten Gesprächspartner herausstellen und ihn als Mensch wahrnehmen.
Solange man keinen Preis nennt, kann man auch nach mehreren Tees den Laden ohne Gesichtsverlust verlassen, um zu testen, ob man nicht doch mit einem neuen Angebot zurückgehalten wird. Der Sprung ins kalte Wasser beginnt dann, wenn man sich dazu entschließt, dem hoffentlich bereits mehrfach reduzierten Angebot des Händlers einen ersten eigenen Preisvorschlag entgegenzusetzen. Der sollte so niedrig sein, dass es jetzt an dem Händler ist, nachsichtig zu lächeln. Trotzdem wird er sich freuen, denn nun haben Sie Ihre Karten offengelegt: Wer einen Preis nennt, will auch zu einem Abschluss kommen. Es wäre sehr unfein, jetzt ohne eine Übereinkunft auseinanderzugehen.
Man lasse sich beim „Hochklettern“ Zeit und beobachte das Mienenspiel seines neuen „Freundes“. Klebt der an einer Grenze oder werden die zugestandenen Rabatte verzweifelt klein, verändert sich zudem das lächelnde Gesicht zur Unwilligkeit, ja fast zum „Beleidigtsein“, so ist man ungefähr da, wo der Händler seine Contenance und seinen Spielraum verliert. Jetzt ist es an Ihnen, draufzusatteln, denn dass der andere gar nichts mehr verdient, kann nicht Ziel des Feilschens sein. Ein solcher Prozess erfordert Fingerspitzengefühl und die ehrliche Absicht auf beiden Seiten, dass Geschäft zu einem für beide Partner halbwegs ehrenhaften Abschluss zu bringen – um dann als „Freunde“ auseinanderzugehen.
Wie gesagt: Das Teppichgeschäft ist im Sinkflug, und die Voraussetzungen, mit einem schönen Stück Orient nach Hause zu fliegen, sind gut. Die Teppiche werden übrigens generell nach ihrem Herkunftsort eingeordnet; unter den vielen anatolischen Produktionsstätten gelten die historischen Teppichgebiete von Hereke (ca. 55km östlich von Istanbul), Bergama oder Kayseri als „gute Namen“.
Murat stubst mich an. “Du weißt doch, dass für dich auch etwas drin ist, wenn du jemanden bringst?“ Oh ja, das weiß hier jeder. 10 Prozent bekommt man, wenn man jemanden von der Straße in den Laden locken und zum Kauf animieren kann; gabelt man ihn irgendwo entfernt auf, um ihn „herzuschleppen“, erhöht sich die Prämie auf mindestens 20 Prozent. Und so stehen sie denn alle zwischen Hagia Sophia und Blauer Moschee, die türkischen „Teppichagenten“; gut gekleidet und mit Sprachkenntnissen ausgerüstet taxieren sie die solventen und insolventen Touristen, beginnen ein harmloses Gespräch, um dann zu einem „guten Freund“ einzuladen. Mitgehen können Sie ja – der Tee und eine freundliche Aufnahme sind Ihnen sicher, viele ausgebreitete Teppiche ebenso. Verlassen Sie den Laden dann wieder freundlich und sich für die Präsentation bedankend, so haben Sie Verständnis für das eventuell genervte Gesicht des Händlers – wieder einmal nichts! Tja, auch auf weichen Teppichen kann ein Sinkflug hart enden …
Hast du noch weitere Tipps, die dir einfallen?
Es gibt im Moment in diese Mannschaft, oh, einige Spieler vergessen ihnen Profi was sie sind. Ich lese nicht viele Zeitungen, aber ich gehöre vielen Situationen.
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